Lügen haben kleine Beinchen

Häufig ist es deutlich zu spüren, wenn sich ein neuer Entwicklungssprung anbahnt. Das Kind ist dann unausgeglichen, wird schneller wütend als sonst, weint schneller und braucht ganz viel Nähe. Das hört nach dem ersten Lebensjahr nicht auf, in welchem man mit dem Buch „Oje, ich wachse!“ noch ganz gut vorbereitet ist, um welche Zeit sich ungefähr welche neuen Fähigkeiten einstellen (auch wenn ich das Buch nicht uneingeschränkt empfehle).

Jetzt gerade scheint das Lieblingskind wieder eine solche Phase durchgestanden zu haben, denn die letzten drei, vier Wochen waren sehr anstrengend. Ich bin dann immer schon ganz gespannt herauszufinden, worin die Weiterentwicklung besteht, sobald es ihm wieder besser geht.

Zwar kann er nun etwas besser malen und interessiert sich aufgrund der Vorschüler* in seiner Gruppe für Buchstaben und Zahlen. Aber ich denke, was sich gerade besonders deutlich verbessert hat, ist seine Fähigkeit zu lügen. Er lügt das sich die Balken biegen und ist Meister im lustige Ausreden erfinden.
Da kommen dann schon mal so lustige Antworten wie „Das war ich nicht. Das war eine Hexe.“ Oder es war ein Löwe oder ein Freund aus der Kita, der allerdings überhaupt nicht da ist. Und von dieser Antwort ist er auch nicht abzubringen, wenn man versucht, ihm klar zu machen, dass es doch hier gar keine Löwen gibt. Für ihn ist es halt so. Er besteht darauf, dass es genauso passiert ist und reagiert beleidigt, wenn ich das in Frage stelle.

Und? Ist das jetzt die Fähigkeit auf die ich mich so gefreut hatte? Auch wenn es manchmal lustig klingt, macht es Diskussionen um einfache Bitten schließlich nicht gerade einfacher. Ja, sie nehmen oft ziemlich absurde Züge an. Es hat den Anschein, als lebten wir in einem Fantasie-Land, in dem es auch möglich ist, dass das Krokodil das Wasser verschüttet hatte. Aber ja, ich freue mich. Denn es ist ganz normal und gehört zu einer gesunden Entwicklung dazu.

Meine Mama hatte mir dazu neulich erzählt, dass sie es ganz amüsant fand, wenn wir uns wunderten wie sie wissen konnte, dass wir geflunkert haben. So wie das Lieblingskind sich wundert, wenn uns völlig klar ist, dass es sich nicht die Hände gewaschen hat, weil gar kein Wasser gelaufen war. Wir dachten damals tatsächlich, Mütter wissen alles und haben auch hinten Augen im Kopf.

In der Regel kann man nicht wirklich von Lügen sprechen, weil Kinder in dem Alter überzeugt davon sind, dass ihre Darstellung der Ereignisse real ist. Daher ist es auch nichts, dass ich übel oder sogar persönlich nehmen kann. Seine Fantasie wächst eben auch gerade ordentlich. So erfindet er auch gern mal Wörter oder spricht in einer Fantasiesprache.
Ich mache mir auch keine Sorgen, dass das Lieblingskind lernt, dass lügen okay ist. Denn er wird weiterhin von uns lernen, dass wir die Verantwortung für unsere Taten übernehmen können, ohne dass uns das verletzt oder schadet. Er lernt, dass er keine Angst davor haben muss, etwas zuzugeben, wenn er sieht, dass auch wir Fehler machen und uns dafür entschuldigen oder etwas wieder gut machen. Und genauso kann er auch schon etwas aufwischen, was er verkleckert hat oder sammelt gemütlich alle Nudeln wieder ein, die er auf dem ganzen Fußboden verteilt hat, weil er die offene Packung doch einfach mal umdrehen musste. Es tut ihm nicht weh. Solange wir nicht völlig unangemessen sauer reagieren, wird das Kind auch Dinge zugeben können. Lügen haben kleine Beinchen

Und solange probiert das Lieblingskind eben lustige Ausreden aus, um etwas tun zu können, was wir ihm eigentlich nicht erlaubt hatten. Dann war er es eben einfach nicht.

Habt ihr witzige Beispiele für kindliche Lügen oder Ausreden? Oder seid ihr davon eher genervt? Ich würde mich freuen, wenn ihr mir die ein oder andere lustige Anekdote in den Kommentaren hinterlasst.

Eure Sabrina