Düstere Kindergartenzeit

[Triggerwarnung: Schwarze Pädagogik]

Gerade komme ich von einer Elternvertretersitzung und mir ist ganz warm ums Herz. Ich bin so glücklich dieses Kinderhaus für das Lieblingskind gefunden zu haben. Denn selbstverständlich ist diese warmherzige Haltung und Betreuungsform, die Kindern viel zutraut und sie ernst nimmt, immer noch nicht. Obwohl dieses Verständnis vom Kind längst nicht mehr neu ist. Ich habe ein so gutes Gefühl mit diesem Haus und der Betreuung, von dem ich in den ersten Jahren nicht zu träumen wagte, auch wenn die erste Kita nicht schlecht war.

Dennoch hatten wir uns für die letzten beiden Kitajahre noch für das Montessori-Kinderhaus entschieden und damit alles richtig gemacht. Gerade heute früh, konnte es dem Lieblingskind nicht schnell genug gehen, um endlich in die Kita zu kommen. Es hetzte mich und sagte, es würde am liebsten jeden Tag in die Kita gehen. Und weil es mich so hetzte, sagte ich traurig: „Och, jetzt habe ich es gar nicht mehr geschafft, mir noch Mitnehmestullen zu machen.“ Da schaut es mich liebevoll an, seine Augen blitzen kurz auf und es sagt: „Dann mach ich dir schnell Welche“. Es flitzt in die Küche, klettert auf die Arbeitsplatte, um das Brot aus dem Kasten zu nehmen und fragt mich, was ich drauf haben will. Ich schäumte über vor Glück und Stolz auf mein selbstständiges Kind.

Aber eigentlich soll es in diesem Beitrag auch um die andere Seite gehen, die ich in meiner Kindheit erleben musste. Ich hatte den Artikel von Leitmedium gelesen und im Anschluss noch den von Frische Brise, der in den Kommentaren verlinkt war. In beiden Artikeln fand ich auch meine Kindergartenzeit beschrieben. Was mich jedoch erstaunte ist, dass obwohl viele Menschen wirklich schreckliche und zum Teil extrem übergriffige Erfahrungen gemacht haben, sie nicht alle gleichermaßen darunter leiden.

So scheint es viel mit der Resilienz oder eben auch der Hochsensibilität der Kinder zu tun zu haben, ob ein solches Erlebnis oder wiederholte Herabsetzungen, Beschämungen und körperliche Übergriffe traumatisierend wirken oder nicht. Schon oft hatte ich mich darüber gewundert, dass nicht mehr Menschen in meiner Generation unter Kindergarten-Traumata leiden und nicht alle eine Therapie brauchen, um sie zu verarbeiten.

Auslachen war bei uns beispielsweise ein beliebtes Erziehungsmittel, genauso wie furchtbare Angst einflößen. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Mittagschlafgelegenheit, bei der ich nicht schlafen konnte. Dies kam durchaus öfter mal vor, und jedes Mal wurden mir die Beine an den Fußknöcheln zusammengequetscht, damit ich mich nicht bewege und damit die anderen störe. Die Decke musste ich auch über den Kopf ziehen. Als ich jedoch sogar mal beim Quatschen erwischt worden bin, wurde ich rausgeworfen. Ich fand es zunächst schön, hatte ich doch ein neues Nachthemd an und konnte durch den riesigen leeren Speisesaal über das Parkett tanzen. Ich fühlte mich wie eine Prinzessin. Dann kam das bittere Ende. Als alle Kinder aufstanden, musste ich mich wieder hinlegen, allerdings in die Mitte des Raumes. Dann kam noch die zweite Kindergartengruppe von oben zum Spielen herunter, ich musste die Decke über den Kopf ziehen und alle durften sich einmal um meine Liege herumstellen, mit dem Finger auf mich zeigen und laut lachen. Ich musste dann etwa eine halbe Stunde so liegen bleiben, während die anderen Kinder um mich herum spielten.

Wenn man etwas gut gemacht hatte, gab es tatsächlich auch immer dieses bekloppte Lied „Hast brav gemacht, hast brav gemacht, drum wirste auch nicht ausgelacht!“ Das war schon eine ziemlich kranke Haltung Kindern gegenüber. Und was das mit dem Selbstwertgefühl macht, kann sich wohl Jede*r vorstellen. Es ist irgendwann einfach nicht mehr vorhanden.

Eine weitere krasse Geschichte, bei der ich heilfroh war, dass ich nicht betroffen war, hatte mich ebenfalls damals schon extrem schockiert. Zwei Jungs bauten zusammen einen großen Turm (ich glaube es war die Friedenswarte von Brandenburg). Einer der Jungs hatte ihn wohl umgetreten. So genau weiß ich das nicht mehr. Aber genau um die Aufklärung dieses „Verbrechens“ ging es ja. Die Erzieherin terrorisierte die beiden, endlich zuzugeben, wer diese gemeine Straftat begangen hat. Die beiden wurden immer weinerlicher und zeigten immer häufiger mit dem Finger auf den jeweils anderen. Ist klar, dass sich da niemand traut, etwas zuzugeben, oder? Aber da hörte es ja nicht auf. Die Erzieherin drohte damit, die Polizei zu rufen, die, nachdem sie dann beide schon herzzerreißend schluchzten, auch eintraf. Nun standen die beiden also vor der Polizei und das Spielchen ging genauso weiter. Ich beobachtete das Ganze mit Entsetzen und dachte natürlich auch, dass der Schuldige dann ins Gefängnis käme. Ich hatte grundsätzlich so eine Scheißangst.

Diese Scheißangst zog sich dann bis in meine Grundschulzeit hinein, in der ich wieder grässliche Pädagog*innen und zum Teil auch gruselige Kinder in der Klasse hatte. Ich machte also alles was nötig war, um nicht aufzufallen und von jedem gemocht zu werden.

Erst in der Therapie gelang es mir, eine befreiende Wut zu entwickeln. Diese war so lange unterdrückt, dass sich alle angestaute Angst und Wut immer nur in Krankheiten und Schuldgefühlen ausdrückte. Natürlich haben wir als kleine Kinder zu Hause nichts erzählt. Wir dachten ja, dass wir selbst Schuld hatten und wollten nicht noch mehr Ärger. Es gäbe auch weitere schreckliche Beispiele, die ich erzählen könnte. Aber ich könnte niemals wie einige in den Kommentaren unter den genannten Blogbeiträgen schreiben „Die Erziehungsmethoden damals waren so „Naja“…“ Dazu bin ich viel zu wütend und musste extrem viel arbeiten, um ein neues Selbstwertgefühl zu entwickeln. Ich werfe den Verantwortlichen durchaus vor, dass sie absolute Scheiße gebaut haben, egal ob das damals nun mal so war. Denn es ging auch damals schon anders. Es gab auch damals schon Menschen mit Herz und gesundem Menschenverstand. Ich kenne genügend Leute, die zur gleichen Zeit in den Kindergarten gingen und gern dort waren, die solche schwarze Pädagogik nie erlebt haben.

Meine erste Erinnerung, die ich habe, kommt aus der Zeit, in der ich gerade mal 2 oder 3 Jahre alt war. Es war die typische Stopf-Würg-Aufess-Zwangs-Geschichte, die ihr auch schon aus den anderen Artikeln kennt oder selbst erlebt habt. Bei mir war es Grießbrei, den ich bis zum Erbrechen essen musste und den ich heute noch niemals warm essen möchte. Ich könnte alles noch bis ins kleinste Detail beschreiben. Ich weiß noch wie der Raum aussah, was ich durch das Fenster sah, dass mir die Tränen über meine vollgestopften Wangen liefen und ich würgen musste. Und ich dachte, die Zeit würde nie zu Ende gehen. Ich war immer in sehr schönen Einrichtungen, in tollen Villen. Aber von den Erzieherinnen kam keine Wärme oder Geborgenheit. Irgendwann möchte ich ihnen vergeben. Aber erst mal möchte ich sie noch ein bisschen dafür hassen, was sie mir und anderen Kindern angetan haben.

Umso glücklicher bin ich heute, das alles anders machen zu können. Es herrscht nicht mehr vorranging die Vorstellung, dass Kinder als böse, unzivilisierte, unvollkommene Menschen zur Welt kommen, die erst zu zivilisierten Menschen geformt werden müssen. Heute wissen wir, dass Kinder bereits als Menschen mit Persönlichkeit und vielen Kompetenzen zur Welt kommen, die einfach noch reifen und sich entwickeln. Und dafür brauchen sie unsere Begleitung, unsere Liebe, unseren Halt und unsere Hilfe.

Und ich bin mehr als glücklich, dass ich das Lieblingskind im Kinderhaus in guten Händen weiß. Es ist in einem Haus, in dem man jederzeit eingeladen ist, zu hospitieren. Das schafft Vertrauen. Sie haben nichts zu verbergen oder vertuschen, auch wenn das nicht bedeutet, dass alles immer perfekt läuft. Aber vor allem würde ich mich immer auf die Seite meines Kindes stellen und es beschützen. So heile ich immer ein Stück weiter, indem mein inneres Kind die Kindheit des Lieblingskindes miterlebt.

Wie war eure Kindergartenzeit? Erinnert ihr euch gern zurück? Habt ihr ähnliche Erlebnisse und wie wirkten diese sich auf euch aus? Ich würde mich freuen, wenn ihr mir einen Kommentar dazu hinterlasst.

Storytime – Eine Spielplatzanekdote

Ich muss immer öfter an den Artikel „Wer bestimmt was gespielt wird? – Ein Spielplatz ist kein Zirkeltraining“ von Susanne Mierau denken, weil es immer wieder Begegnungen gibt, die einen erstaunt, ver– wirrt oder frustriert zurücklassen. Gestern erst musste ich mich wieder sehr über eine Frau auf dem Spielplatz wundern. Ich war eigentlich immer ganz froh, wenn wir nachmittags noch auf den Spielplatz gehen konnten, weil es hieß, dass ich mich mal etwas zurücklehnen und ausruhen konnte. Schließlich gibt es genügend Raum zum Austoben und im günstigsten Fall andere Kinder mit denen das Lieblingskind zusammen spielen kann. Ich kann in der Zeit quatschen, lesen oder gar nichts tun. Ich helfe lediglich, wenn ich darum gebeten werde oder schaue, wenn ich gerufen werde. Glücklicherweise hat das Lieblingskind immer Dinge getan, die es sich selbst schon zutrauen konnte und wenn es irgendwas noch nicht so konnte, musste ich selten Angst haben, dass es sich in eine gefährliche Situation begibt, aus der es nicht mehr allein herauskommt.

Gestern kamen wir zu einem Spielplatz mit Seilbahn. Die war natürlich sehr verlockend und das Lieblingskind stellte sich an, weil ein anderes Kind bereits darauf war. Es wurde immer wieder von der Mama zurückgeholt und wieder angeschubst. Nach zweimal wurde das Lieblingskind ungeduldig und rief mir zu: „Die sehen mich gar nicht.“ Ich hatte jedoch schon gesehen, dass sie ihn bemerkt hatten, aber noch zu Ende spielen wollten und so rief ich ihm zu, dass er nur kurz warten müsse, bis das Mädchen fertig ist. Der Papa nickte mir zu und die Mama meinte, nur noch einmal. Dann hatte das Lieblingskind die Seilbahn ganz für sich allein.

Es brauchte einen kurzen Moment, bis es wieder wusste, wie es allein rauf kam und freute sich dann riesig, als es endlich lossauste. Ich freute mich mit ihm und das wurde von einer anderen Mama bemerkt, die ein Stück entfernt auf einer anderen Bank saß – eigentlich mit dem Rücken zu uns. Sie drehte sich um, sah unsere Freude und schien zu denken: ‚Ja, das will ich auch für mich und mein Kind.‘ Also rief sie sofort ihre Tochter, die gerade mit etwas anderem beschäftigt war. Sie musste mehrmals rufen und dann zu ihr laufen, um sie von ihrem Plan zu überzeugen. Das Kind war noch sehr klein und wusste gar nicht was los ist, ließ sich aber von der Begeisterung der Mama anstecken. Also rannten sie auf mein Kind zu, das gerade mühsam, den Sitz wieder zurückschob und das ja gerade erst angefangen hatte, damit zu spielen. Es hielt den Kopf zwischen den Armen, um die Frau nicht zu hören und zu sehen. Offenbar, wollte es auch nicht gleich wieder rausgerissen und gestört werden. Die Frau fragte dann jedoch noch lauter, „Hallo, wie heißt denn du?“ Mein Sohn: „Sag ich nicht.“

Ich beobachtete die Szene teils amüsiert, teils wütend. Ich wollte mich da auf keinen Fall einmischen und wunderte mich nur über so viel Unaufmerksamkeit. Dann fragte sie ihn, ob ihre Tochter jetzt auch mal damit rutschen dürfe. Seine knappe Antwort, war „Nein.“ Er setzte sich schnell wieder drauf, um wenigstens noch eine Runde runtersausen zu können. Die Frau rief noch hinterher. „Okay, der Junge rutscht noch eine Runde, dann bist du dran.“

Gut wenn mehrere Kinder an einem Gerät anstehen, finde ich es auch fair, abzuwechseln. Das können die Kinder auch meist ganz gut, ohne dass wir uns groß einmischen müssen. Aber was war das denn bitte? Dieses Kind stand gar nicht an, es hatte zuvor nicht mal Interesse daran. Verständlich, dass das Lieblingskind entsprechend unwirsch reagierte.

Er gab den Sitz natürlich trotzdem frei. Die Frau rannte ihm ja auch gleich entgegen, um ihm den Sitz quasi zu entreißen. Dann setzte sie ihr Kind, das viel kleiner war, darauf und meinte immer wieder: „Du musst dich gut festhalten, halt dich fest.“ Das Beinchen rutschte schon langsam herunter und sie meinte immer nur „Festhalten.“ Dann lag es auch schon unten. Die Mama immer noch ganz euphorisch: „Schön festhalten, komm ich setz dich wieder rauf.“ Das Kind aber strömte nur weg: „Nein, ich will nicht.“ Na okay, dann drückte sie meinem Kind den Sitz eben wieder in die Hand. Es hatte nun die Seilbahn wieder für sich.

Warum? frage ich mich. Warum, konnte diese Frau nicht einfach nur erst einmal in Ruhe zuschauen und sich dann eventuell oben mit ihrem Kind anstellen? Warum musste sie sofort, als sie uns erblickte, ihr Kind rufen und mit ihm dazu stürmen? Warum konnte sie nicht genießen, dass ihr Kind schon ganz vertieft allein spielte und sie sich ausruhen konnte? Warum erwartete sie, dass mein Kind auch noch sofort die Seilbahn wieder freigibt, für jemanden, der nicht mal angestanden hatte, sondern mitten im Spiel dazu gestürmt kam?

Für mich handelte diese Frau ebenso impulsiv und irrational wie ein kleines Kind, das etwas erblickte und es sofort haben musste. Daher war es für mich auch ähnlich wie in Situationen, in denen ich denke: das können die Kinder unter sich ausmachen. Aber wie reagiert man richtig, wenn es sich im Grunde genommen um andere Erwachsene handelt?

Wie hatte sie diese Situation wahrgenommen? Was ging in ihr vor? Hatte sie überhaupt etwas gedacht, bevor sie handelte?

Ich verstehe die meisten Menschen eigentlich sehr gut, kann ihre Beweggründe nachvollziehen. Aber hier fiel es mir verdammt schwer. Es kam mir einfach kindisch und irrational vor. Am Ende war ich froh, dass ich nichts sagen musste, und dass sie auch von mir nicht verlangte, mein Kind zum Abwechseln anzuhalten. Ich blieb einfach verwirrt und irgendwie fassungslos über das Beobachtete zurück.

Wie hättet ihr reagiert? Findet ihr, ich übertreibe? Kennt ihr solche Situationen?

Zurück aus dem Winterschlaf

Lange, lange hat sie gedauert, diese Blog-Pause, was ich gar nicht gedacht hatte. Eigentlich wollte ich das Blog nur mal einen Monat ruhen lassen, um wieder zu mir zu kommen. Aber nun hat sie sehr viel länger gedauert und ich möchte euch ein wenig berichten wieso und was sie mir gebracht hat.

Zum einen brauchte ich wirklich Abstand von der virtuellen Welt, die sich permanent aktualisiert und der ich irgendwie immer mehr hinterher rannte, weil mich ansonsten das Gefühl beschlich, ich könnte etwas verpassen. Das heißt, es wurde immer mehr zum Stressfaktor, noch etwas lesen oder noch etwas produzieren zu müssen.

Zum anderen wollte ich mir darüber klar werden, ob ich das überhaupt noch möchte. Warum blogge ich überhaupt und tut es mir gut?

Zu dem Zeitpunkt, an dem ich merkte, dass ich eine Blogpause brauchte, tat es mir überhaupt nicht gut. Ich war ziemlich raus aus meiner Mitte und hatte das Gefühl noch mehr Anforderungen gerecht werden zu müssen. Denn mein Job setzte sich schon aus mehreren kleinen Projekten zusammen, auf die ich mich nie voll und ganz konzentrieren konnte. Dann machte ich eine Weiterbildung mit vielen Modulen, die sich ebenfalls überlappen und bei denen ich das Gefühl hatte, mit dem Lesen gar nicht mehr hinterherzukommen. Dann natürlich noch der übliche Alltag mit Haushalt und Kind. Freizeit und Freunde? hm…

Alles musste immer organisiert und durchgeplant werden. Und auch wenn ich von meinem Wesen her eigentlich total gern strukturiert war und einen Plan hatte, funktionierte es einfach nicht mehr. Ich wunderte mich über mich selbst und erkannte mich nicht wieder. Dieses unorganisierte und verpeilte Wesen konnte doch nicht ich sein. Es machte mir vor allem überhaupt keinen Spaß mehr zu planen, was ich vorher geliebt hatte. Und ich denke das lag einfach daran, dass die Pläne unrealistisch waren. Ich konnte mich nicht daran halten, weil es mir nicht genügend Ruhephasen gelassen hätte. Und die brauche ich als hochsensibler Mensch ausreichend. Neben diesen vielen Ruhephasen, brauche ich auf der anderen Seite aber immer auch viel Anregung und neuen Input, was ohnehin schon schwierig ist. Je mehr Anregung, desto mehr Ruhe brauche ich, da ich sonst krank werde. Andere hochsensible Sensation Seeker werden das Dilemma kennen. Und ich habe vor, demnächst mal etwas mehr darüber zu schreiben.

Am Ausschlaggebendsten aber war, dass ich mich oft so sehr unter Druck gesetzt hatte, dass ich dem Lieblingskind nicht immer das geben konnte, was ich eigentlich wollte. Wer schon einige Beiträge auf dem Blog gelesen hat weiß, dass wir bindungs- und bedürfnisorientierte Elternschaft leben, dass es uns darum geht, dass das Lieblingskind sich bedingungslos geliebt fühlt und daran auch keinen Zweifel hat, wenn wir uns mal streiten.

Nun hatte es aber an einem Abend der Lieblingsnachbarin gegenüber geäußert, dass es sich wünschte wieder ein Baby zu sein. Denn dann würde es uns nicht mehr so viel ärgern und wir hätten es wieder lieber. Das brachte mich zum Heulen. Dass es ernsthaft glaubte, wir hatten es als Baby lieber, machte mich traurig und ratlos. Für mich stand aber schon in dem Moment sofort fest, ich muss etwas loswerden, um weniger gestresst zu sein. Und es war auch klar, dass es das Bloggen ist. Denn das sorgte dafür, dass ich nicht mehr im Hier und Jetzt, im aktuellen Raum mit den aktuell anwesenden Menschen verbunden, sondern immer zur Hälfte virtuell unterwegs bin.

Ein Beispiel dafür ist das ständige Fotografieren. Immer muss alles festgehalten werden, um genug schönes Bildmaterial fürs Blog zu haben. Die Fotos sind zwar nicht extra arrangiert und gestellt, aber ich fühle mich zum Beispiel bei der Frühstücksvorbereitung doch von der Vorstellung gestresst, dass das Lieblingskind vorher die Hälfte wegnascht oder den Kakao verschüttet, bevor ich das Foto gemacht habe. Und dann stelle ich fest: Oh scheiße, das Foto ist mittlerweile wichtiger geworden (oder in dem Moment wichtiger) als das Lieblingskind; oder das Foto muss perfekt sein, sonst ist es nicht blogtauglich. Realität mit verschüttetem Kakao abzubilden, wäre mir nicht in den Sinn gekommen. Sieht ja nicht so schön aus. Und genau deshalb wollte ich da die Reißleine ziehen.

Wir machten es uns also einfach wieder mal nur noch für uns selber schön und genießen es eben so lange wie es hält. Und wir haben genossen. Ich hatte wieder etwas mehr Zeit und sprach mit dem Lieblingskind viel über seine Gefühle. Die lieben Kleinen müssen auch immer mal wieder hören, dass man sie immer liebt. „Auch wenn wir uns mal streiten oder sauer aufeinander sind, lieb haben wir uns trotzdem.“ Diese Worte ersetzen nicht den respektvollen Umgang miteinander, aber es ist wichtig, sie auch mal zusätzlich zu hören.

Nun, hatte ich auf jeden Fall mal wieder Zeit, alles in die für mich richtige Perspektive zu rücken und konnte mir etwas mehr darüber klar werden, was meine Prioritäten sind.

Dabei muss ich nicht komplett aufs Bloggen verzichten, aber es wird immer nur ein Hobby bleiben. Und ein Hobby kann eben auch mal pausieren oder weniger intensiv betrieben werden (ohne die stressenden SEO Artikel, die einem ständig erzählen, was man alles besser oder richtiger machen könnte). Brauche ich ja nicht, wenn ich damit kein Geld verdienen will.

Also werde ich dann Artikel schreiben, wenn mich etwas bewegt und die ein oder andere Serie weiterführen, jedoch ohne terminlichen Druck.

Ich merke jedenfalls, wie ich überhaupt wieder Lust aufs Schreiben kriege und es mich in den Fingern juckt, das Blog doch endlich mal zu überarbeiten.

Das alles werde ich jedoch langsam angehen, um mir für alles die Zeit zu nehmen, die es gerade braucht.

Kita-Wechsel – ein Erfahrungsbericht

Ich war gespannt. Wie gewöhnt man ein erfahrenes Kita-Kind in eine neue Kita ein? Wir wussten, dass es Kita-Abläufe kennt, dass es weiß wie es ist, morgens zur Kita zu gehen, dort zu spielen, zu essen und am Nachmittag wieder abgeholt zu werden. Es war also klar, dass es nicht wieder so sein würde wie die erste Eingewöhnung nach einem Jahr zu Hause, wo sich Mama (oder Papa) und Kind zum ersten Mal trennen und ganz viel Unsicherheit auf beiden Seiten ist.

6. KitavorgesprächIch hatte damals überraschenderweise große Schwierigkeiten, loszulassen. Überraschenderweise, weil sowohl das Lieblingskind als auch ich so was von „kitareif“ waren und ich etwas von meiner Freiheit zurück haben wollte. Ich lernte mich mit meinen starken Autonomie-Bedürfnissen in der Elternzeit noch mal völlig neu kennen und hing auf der anderen Seite sehr an meinem winzigkleinem Lieblingskind. Hinzu kam, dass eigene dunkle Kita-Erinnerungen wieder hoch kamen und ich Angst und Trauer empfand. Vielleicht aus diesen Gründen, gekoppelt mit der Tatsache dass der Dezember nur drei Wochen hatte und die Bezugserzieherin ständig krank war, dauerte die Eingewöhnung zwei Monate. Im Nachhinein betrachtet, war ich sehr froh über die sanfte und langsame Ablösephase. Sehr schön war damals auch, dass ein halbes Jahr kein weiteres Kind eingewöhnt wurde, sodass das Lieblingskind lange das Nesthäkchen der Bezugserzieherin bleiben konnte.

Die neue Eingewöhnung sollte viel schneller gehen. Das Lieblingskind ist schon groß, kennt den Kita-Alltag und die Erfahrungen der Kita zeigten, dass die Kinder, die bereits eine Kita besucht hatten, in der Regel maximal eine Woche brauchten. Zudem wurde es durch gemeinsame Kita-Besichtigung und Vorgespräche sehr gut vorbereitet. Ich hatte mir eine Woche frei genommen. Meist sagen die Kinder schon am ersten oder zweiten Tag: „Du kannst jetzt gehen, Mama“. Und auch das Lieblingskind war am ersten Tag so aufgeregt und voller Vorfreude auf die neue Kita, dass es schon zu Hause zu mir sagte: „Du kannst dann aber gehen, Mama“.

Als wir dann vor Ort waren, verschwand es plötzlich hinter meinen Beinen, als wäre es wieder drei Jahre jünger. Es klammerte sich an mir fest, hing sprichwörtlich an meinem Rockzipfel und traute sich kaum etwas zu sagen. Im Morgenkreis schwankte es zwischen Mitteilungsbedürfnis und auf Mamas Schoß kriechen. Es war erstaunlich wie viel Mama es wieder brauchte. Dann ging es ans Experimentieren und ein paar neue Kitaregeln kennen lernen. Dabei konnte ich schon mal einfach nur am Rand sitzen.

9. Montessori-MaterialienMein erster Eindruck von der Montessori-Einrichtung war super. Wie mit den Kindern gesprochen und umgegangen wurde, erschien mir respektvoller und freundlicher als in der alten Kita. Der Morgenkreis war wunderschön. An jedem Morgen wird eine Kerze angezündet bzw. eine für Montag, zwei für Dienstag, drei für Mittwoch und so weiter. Und das Lieblingskind durfte, weil es neu war, die Kerze anzünden.

Sie haben außerdem ein Patenprogramm, in dem sich ein älteres erfahrenes Kita-Kind um das neue kümmert. Das heißt, es zeigt ihm alles und erklärt ihm die Regeln. So ist a11. Windmühleuch schon von Anfang an ein Freund da, wenn das Kind sich noch nicht traut auf andere zuzugehen oder nicht weiß, an wen es sich wenden soll. Leider war das Patenkind jedoch nicht da und kam erst am Mittwoch. Aber das Lieblingskind hatte vorher auch schon zwei, drei neue Freund*innen gewonnen. Am Mittwoch bekam es dann ein kleines Begrüßungsgeschenk vom Paten und spielte mit ihm und seinem besten Freund. Am nächsten Tag verstanden sie sich nicht mehr so gut. Aber ab Freitag waren sie dann plötzlich doch, dank gemeinsamer Interessen, die besten Kumpels.

Das Lieblingskind wollte mich auch am Dienstag noch den ganzen Vormittag dabei haben, sodass ich die ersten beiden Tage noch nicht gehen konnte. Am zweiten Tag konnte ich allerdings eine Weile in einem anderen Raum sitzen, ohne dass es ihn gestört hätte.

Am Mittwoch verabschiedete ich mich dann aber schon zum Morgenkreis und das Lieblingskind rannte, sofort nach dem Winken, wieder zum Spielen. Ab da war es schon fast wie immer. Abgesehen davon, dass ich es natürlich bereits nach dem Mittagessen wieder abholte. Mit jedem Tag kam eine Kleinigkeit hinzu, sodass es langsam reinkam. Wie notwendig das war, konnte ich abends sehen, wenn es schon ab 16 Uhr wieder hundemüde und überdreht war. Es hatte auch im Schlaf sehr viel zu verarbeiten. Die Vorfreude auf jeden Tag blieb jedoch groß.

Am Donnerstag war das Lieblingskind nachmittags richtig knatschig. Es jammerte, tobte und heulte bei Kleinigkeiten, dass ich schon fast verzweifelte. Bis ich mich mit ihm hinlegte, um in Ruhe ein Buch vorzulesen. Dabei schlief es ein. Es war erst 16:15 Uhr. Und es schlief durch bis 6 Uhr. Ich fand es erstaunlich wie es den Anschein macht, als sei alles easy peasy, dabei gibt es für ihn trotzdem so viel zu verarbeiten, wie erst in solchen Situationen deutlich wird. Wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre es schon ab Dienstag gern zum Mittagschlaf und Vesper geblieben. Das Lieblingskind selbst wollte jeden Tag eigentlich noch länger bleiben und nach der Kita noch Besuch haben oder jemanden besuchen. Wir hatten echt eine wirklich aufregende Woche.

Spannend war auch, dass ich wieder mit heftigen Bauchschmerzen reagierte, obwohl ich bewusst fand, dass alles wunderbar war. Ich glaube die eigenen Traumata sitzen tief und versuchen noch vor etwas zu schützen, was gar nicht mehr da ist.

Nun geht das Lieblingskind schon die vierte Woche in die Kita und alles ist schon wieder richtig Alltag geworden. Das Lieblingskind beschwert sich mittlerweile wieder über die ein oder andere Sache und hat auch schon mal Streit oder Ärger. Aber alles läuft eben ganz normal, die schönen Dinge überwiegen und es geht gern hin.

Neue Freunde finden sie in dem Alter sehr schnell und die alten besuchen wir sowieso immer nachmittags, denn auch die sind schon gar nicht mehr in der alten Kita. Einige hatten vorher schon gewechselt, andere kommen in die Schule und wieder andere sind weggezogen. In der alten Kita hätte sich darum auch vieles geändert. Aber das war ja nicht der Grund zu wechseln, sondern macht es im Großen und Ganzen nur einfacher.

Hattet ihr schon mal einen Kitawechsel? Wie lief es bei euch? Hattet ihr auch Bauchschmerzen und Befürchtungen vor so viel Neuem?

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Warum mein Kind nicht gehorchen muss!

Natürlich wünsche auch ich mir, dass mein Kind das macht, worum ich es bitte und dass es sich an Regeln hält und nicht durch große Szenen auffällt. Am liebsten wäre es mir auch, dass alle immer machen, was ich mir wünsche, dass das Lieblingskind und der Lieblingsmann immer auf mich hören und es immer nach mir geht. Wie herrlich einfach wäre das Leben. Na ja, vielleicht wäre das aber auch langweilig. Und meistens finden wir auch zu einer Einigung, mit der wir alle gut leben können. Jeder von uns hat nun mal seine eigenen Wünsche und Vorstellungen. Es ist nicht möglich, dass immer nur einer sich durchsetzt und die anderen gehorchen müssen. Genauer gesagt ist es nicht möglich, ohne dass die, die gehorchen, sich selbst aufgeben und einfach ausgedrückt unglücklich werden. Irgendwann werden sie sich dann vielleicht abwenden – sei es nur innerlich oder sei es, dass sie tatsächlich gehen und nichts mehr mit einem zu tun haben wollen.

8. Kind am ZaunMeistens gelingt es aber, dass das Lieblingskind unseren Bitten nachkommt, vielleicht nicht immer sofort – wie ich es gern hätte – aber es gelingt wie bei den meisten Kindern. Dass es manchmal nicht klappt, hängt von vielen verschiedenen Dingen ab, die mal völlig nachvollziehbar sind (wie Müdigkeit oder Ärger in der Kita mit Freunden) und manchmal eben weniger nachvollziehbar. Einen Grund hat das Kind jedoch immer, wenn es wütend, frustriert oder verzweifelt wird. Und wenn ich von dieser Grundanahme ausgehe, nehme ich mein Kind ernst und versuche es zu verstehen. Wenn ich ihm aber etwas aufdrücke, was in seiner momentanen Verfassung absolut kontraproduktiv ist, sind ein Wutanfall und Frust vorprogrammiert.

Ich zucke jedoch jedes Mal zusammen, wenn jemand zu mir meint: „Jetzt muss er aber doch langsam mal gehorchen“. Allein dieses Wort löst in mir körperliches Unbehagen aus. Wir leben glücklicherweise nicht mehr in einer Gesellschaft, in der (blinder) Gehorsam verlangt wird. Die Zeit in der Gehorsam, Disziplin und Unterordnung die wichtigsten Ziele der Erziehung waren, war eine Zeit, in der die Gesellschaft aus ganz anderen Machtstrukturen als heute bestand. Es war die Zeit der Industrialisierung, die notwendigerweise die Werte Unterordnung, Pünktlichkeit, Fleiß, Gehorsam mit sich brachte. Zu dieser Zeit gab es eine militaristische Gesellschaft mit einer klaren Hierarchie. Um diese zu erhalten, war es notwendig, die Erziehung so anzulegen, dass diese Werte und die Machtegefüge erhalten bleiben konnten. Ebenso in der Zeit des Nationalsozialismus. Da brauchte man keine Menschen, die selbständig und autonom waren, die sich ihre eigenen Gedanken machten und eigene Werte entwickelten, die ausgeprägte Empathie und Mitgefühl entwickelten. Im Gegenteil, dann hätte diese Gesellschaftsform ja nicht mehr funktioniert.

Diese Werte haben sich jedoch im Laufe der Jahrzehnte grundlegend verändert. Es kamen Zeiten, in denen alles sogar ganz und gar umgekehrt wurde und eine antiautoritäre Erziehung alte Wunden heilen sollte, indem man die eigenen Kinder tun ließ, was immer sie gerade wollten. Dabei verlor man jedoch aus den Augen, dass sie nicht nur Dinge wollen, sondern auch brauchen. Und was Kinder prinzipiell brauchten, bekamen sie nicht, indem man sie einfach machen ließ, sondern indem man für sie da war und einen sicheren Rahmen bot.

Heute, mit all den Studien und Forschungen zu kindlichen Bedürfnissen, zur Entwicklung, zur Hirnforschung, ist es für mich mehr als verwunderlich, dass so wenig davon Mainstream ist. Es verwundert mich sehr, dass es so viele Erziehungsratgeber gibt, die noch immer Disziplin und Gehorsam fordern und dabei auf denkbar schlechte Methoden und Strategien zurückgreifen, die nicht nur nicht funktionieren, sondern zum großen Teil sogar, mit der Einführung der Kinderrechte, gesetzlich verboten sind.

Kinder haben zum Beispiel ein Recht auf Beteiligung, das heißt, Kinder dürfen immer ihre Meinung sagen und mitbestimmen, wenn es um sie geht und darauf, dass ihre Meinung auch beachtet wird. Umso selbstverständlicher sollte es sein, dass Kinder in ihrem Alltag ganz normal ihre Meinung zu allen sie betreffenden Entscheidungen sagen können. So gibt es Situationen, in denen selbst Kleinkinder bereits völlig allein entscheiden können, z. B. ob sie lieber Müsli oder Brötchen zum Frühstück essen wollen, welche Hose sie lieber anziehen wollen und Situationen, in denen sie zwar nicht allein entscheiden können, aber ihre Bedenken in der Diskussion zumindest Berücksichtigung finden. In der Regel reicht es, wenn sie gehört werden und sich verstanden fühlen, damit sie eine Entscheidung akzeptieren. Wenn sie aber ohne Erklärung vor vollendete Tatsachen gestellt werden und ihren Unmut noch nicht einmal äußern dürfen, ist es nicht verwunderlich, dass es zum Streit kommt.

Manchmal brauchen sie Hilfe dabei, ihren Unmut richtig auszudrücken und nicht aus Wut zu hauen oder Dinge kaputt zu machen. Dafür braucht es Geduld und Verständnis. Es wird in diesem Fall zu gar nichts führen, wenn das Kind dafür bestraft wird, dass es einen Wutanfall hat. Warum? Strafen machen in der Regel noch wütender, weil sie gleichzeitig auch noch ihre Machtlosigkeit unter die Nase gerieben bekommen. Das ist bedenklich, denn

Wenn wir Kinder dazu bringen, sich machtlos zu fühlen, weil wir sie zwingen, sich unserem Willen zu unterwerfen, löst das oft heftige Wut aus, und nur weil diese Wut im Augenblick nicht zum Ausdruck gebracht werden kann, bedeutet es nicht, dass sie verschwindet. Was mit der Wut geschieht, hängt von der Persönlichkeit des Kindes und den genauen Umständen ab.“ (Alfie Kohn: Liebe und Eigenständigkeit)

Es kann zum Beispiel dazu führen, dass sie die angestaute Wut mit in die Schule oder auf den Spielplatz bringen und an ebenfalls Schwächeren abreagieren. Dabei werden die Kinder immer besser darin werden, sich nicht dabei erwischen zu lassen, um weiteren Strafen zu entgehen. Sie kann sich aber auch gegen sie selbst richten und ein Gefühl von Minderwertigkeit und Schuldgefühlen hinterlassen.

Im Grundgesetz wurde im Jahr 2000 das Recht auf gewaltfreie Erziehung verankert. Seitdem steht in §1631 (2) des BGB „Entwürdigende Erziehungsmaßnahmen sind unzulässig“. Darunter zählt nicht nur körperliche Gewalt, sondern auch psychische Gewalt. Das heißt, wenn ich ein Kind durch Worte immer wieder erniedrige und seine Würde verletze, wird das Kind daraus allenfalls lernen, dass es nur etwas wert ist, wenn es sich dem Willen anderer (z. B. seiner Eltern) unterwirft. Es nimmt an: „Meine Eltern (Lehrer, Erzieher, Großeltern) wollen mich nur um sich haben und schenken mir nur Aufmerksamkeit, wenn ich genau das tue und sage, was sie von mir verlangen. Ich darf nicht ich selbst sein. Ich werde nicht gesehen mit meinen eigenen Wünschen, Bedürfnissen und Gefühlen. Sie spielen keine Rolle.“

Das heißt keinesfalls, dass Eltern, die althergebrachte Erziehungsmethoden anwenLiebe und Eigenständigkeitden, ihre Kinder nicht abgöttisch lieben. Die Kinder spüren nur leider nicht viel davon. Für sie ist die Liebe und Aufmerksamkeit immer an Bedingungen geknüpft. Sie fühlen sich nur geliebt, wenn sie sich auf eine ganz bestimmte Art und Weise zeigen. Dabei spielt grundsätzlich nur das Verhalten des Kindes eine Rolle und nicht die Persönlichkeit dahinter. Oftmals wird einfach ignoriert oder gar nicht erst bewusst gemacht, dass das Kind schon eine Persönlichkeit ist – ein fertiger Mensch mit einer eigenen Würde, einer eigenen Mentalität sowie eigenen Wünschen und Gefühlen.

Wenn Kinder also auf eine bestimmte Art reagieren, entspricht die Reaktion ihrem aktuellen Bedürfnis und ihrem Gefühl und es lohnt sich das anzuschauen. Kinder sind noch sehr authentisch und echt in dem, was sie ausdrücken. Sie spielen uns nichts vor, und darüber sollten wir glücklich sein. Denn sie helfen uns damit ganz entscheidend, sie kennen zu lernen und damit besser auf sie eingehen zu können.

Warum Bestrafung als Erziehungsmethode völlig ungeeignet ist, hat Alfie Kohn in seinem Buch „Liebe und Eigenständigkeit“ sehr schön zusammengefasst:

  • Sie macht Menschen wütend. (Siehe oben)
  • Sie ist ein Vorbild für den Gebrauch von Macht. (Was Kinder lernen sollten – die eigentliche Lektion – spielt eher keine Rolle. Was sie tatsächlich lernen ist: dass die wichtigsten Menschen in ihrem Leben, Probleme zu lösen versuchen, indem sie Macht anwenden, um andere unglücklich zu machen und sie zur Kapitualation zu bewegen; genauso wie ihre Feindseligkeit nach außen hin auszudrücken.)
  • Sie verliert mit der Zeit ihre Wirksamkeit. (Wenn Kinder älter werden, wird es immer schwieriger noch ausreichend Unangenehmes zu finden, dass man ihnen zufügen kann. Es wird zu immer härteren Maßnahmen gegriffen, statt die Methode Strafe und ihre Wirksamkeit an sich in Frage zu stellen.)
  • Sie untergräbt die Beziehung zu unseren Kindern. (Wenn wir strafen , machen wir es unseren Kindern schwer, uns als liebevolle Verbündete zu sehen, was für eine gesunde Entwicklung unabdingbar ist, stattdessen werden wir – in ihren Augen – zu Vollstreckern, denen sie lieber aus dem Weg gehen sollten.)
  • Sie lenkt Kinder von den wichtigen Dingen ab. (Der Hintergrund für die Verhängung einer Strafe (wie Auszeit oder Hausarrest) ist ja der, dass die Eltern hoffen, die Kinder würden darüber nachdenken, was sie falsch gemacht haben. Aber welches Kind tut das? Es wird doch wohl viel eher darüber nachdenken, wie gemein die Eltern sind und wie unfair die Strafe ist, vielleicht auch wie sie sich dafür rächen können. Und es wird sicherlich darüber nachdenken, wie es der Strafe beim nächsten Mal entgehen kann, indem es die Fähigkeit perfektioniert, einer Entdeckung zu entgehen. Damit dient es auch als starker Anreiz zu lügen. Denn Kinder, die nicht bestraft werden, haben weniger Angst zuzugeben, wenn sie etwas getan haben.)
  • Sie macht Kinder egozentrisch. (Je mehr wir auf Strafkonsequenzen zurückgreifen, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder darüber nachdenken, welche Auswirkungen ihr Verhalten auf andere Menschen hat. Dagegen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine Kosten-Nutzen-Anlalyse durchführen, das heißt, dass sie das Risiko erwischt zu werden gegen das verbotene Vergnügen abwägen.)

Diese Überlegungen sollte man in Betracht ziehen, wenn das eigentliche Ziel ist, Kinder zu selbstbestimmten, ethisch handelnden, intellektuell neugierigen und beziehungsfähigen Menschen heranwachsen zu lassen. Aber auch, wenn das Ziel sein sollte, dass die Kinder gehorchen, ist die Methode aus den beschriebenen Gründen eher ungünstig. Gehorsam an sich funktioniert nur durch Gewalt und Angst. Da die meisten von uns nicht wollen, dass die Kinder Angst vor uns haben und Angst nicht mehr mit Respekt verwechseln, funktionieren die alten Methoden auch nicht mehr.

Wir müssen in unserer Erziehung kreativer werden. Wir müssen wirklich in Beziehung gehen und die Kinder ernst nehmen und ebenso mit Respekt behandeln, wie wir auch behandelt werden wollen. Wir sind ihre Vorbilder und sie werden uns daher ohnehin alles nachmachen. Darum lohnt es sich, auf sich selbst zu schauen. Lebe ich meinem Kind eigentlich vor, was ich von ihm verlange? Stelle ich manchmal Regeln auf, die völlig unpassend sind (weil sie noch gar nicht dem aktuellen Entwicklungsstand entsprechen oder weil sie wirklich überhaupt nicht zu meinem Kind oder zu unserer Familie passen, sondern ich sie einfach unreflektiert übernommen habe) und die es deshalb überhaupt nicht befolgen kann?Jesper Juul Bücher

Erziehung ist heute viel mehr Beziehung und das bedeutet, dass wir gemeinsam wachsen, dass wir uns gemeinsam weiterentwickeln als Familie. Mit diesem Hintergrund ist es vielleicht nicht immer ganz leicht, aber auf jeden Fall wesentlich spannender und lebendiger. Vor allem aber fühlt es sich für alle Beteiligten wesentlich liebevoller, freundlicher und echter an. Wir müssen als Eltern keine Rolle (z. B. als Vollstrecker) spielen und das Kind muss uns nichts vormachen, weil es Angst vor uns (bzw. vor Konsequenzen) hat. Wie dem zu entnehmen ist, gibt es eigentlich kein Rezept, wie man Kinder dazu bringt, gute Menschen zu werden, auf uns zu hören oder sonstige Ziele zu erreichen. Dennoch gibt es ein paar Grundsätze, die zu einer gelingenden Eltern-Kind-Beziehung führen und unseren Kindern zu zeigen, dass wir sie bedingungslos lieben.

Es fängt damit an, dass wir unsere Kinder ernst nehmen und uns fragen, welche Bedürfnisse unser Kind hat. Oder auch damit, dass wir mal versuchen, die Perspektive des Kindes einzunehmen, uns bewusst von unserer Sichtweise lösen und die Situation oder die Welt noch einmal mit seinen Augen betrachten: Wie wirke ich wohl gerade auf das Kind oder wie klinge ich wohl in seinen Ohren?

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Zum Weiterlesen:

  • Alfie Kohn: Liebe und Eigenständigkeit
  • Jesper Juul: Die Kompetente Familie
  • Jesper Juul: Dein kompetentes Kind
  • Jesper Juul: Nein aus Liebe
  • Herbert Renz-Polster, Gerald Hüther: Wie Kinder heute wachsen
  • Herbert Renz-Polster: Menschenkinder

Auszeiten sind Liebesentzug!

Immer noch höre ich von anderen Eltern, Erzieher*innen und Kolleg*innen, dass sie es richtig finden, wenn das Kind mal eine Auszeit bekommt, wenn es etwas falsch gemacht hat. Hat das Kind zum Beispiel ein anderes mit Sand beworfen und reagiert nicht auf die Aufforderung das zu unterlassen, wird es genommen und auf die Bank gesetzt, damit es mal über seine Tat nachdenkt. Eine Kollegin geht davon aus, dass dies das Kind dazu anhält, darüber nachzudenken, was es falsch gemacht hat und den Fehler einsieht. Kann es das?

Die Antwort ist klar: Nein. Kinder, insbesondere Kleinkinder, haben überhaupt noch nicht die ausgereifte Vernunft und das ausgereifte Gewissen, um über Fehler nachzudenken und somit die Verantwortung dafür zu übernehmen und einzusehen.

Sie sind völlig im Fühlen, im Hier und Jetzt und brauchen Unterstützung, mit diesen Gefühlen umzugehen. Wirft ein Kind also mit Sand, kann ich davon ausgehen, dass es wütend oder frustriert ist, vielleicht auch gelangweilt. Auf jeden Fall sollte daher der logische Schritt sein, das Gefühl zu benennen und vielleicht zu schauen wo es herkommt. Im nächsten Schritt hilft es, wenn danach geschaut wird, welches Bedürfnis das Kind gerade hat. Warum ist es wütend oder frustriert? Was braucht es gerade und können wir ihm helfen, sein Bedürfnis zu erfüllen. Frust muss auch mal ausgehalten werden können, wenn es nicht gleich Abhilfe gibt. Aber das Kind muss da nicht alleine durch. Es braucht die Präsenz der Eltern oder Erzieher*innen. Präsenz heißt: „Ich bin da. Ich sehe dich. Ich sehe, dass du gerade etwas anderes brauchst. Ich lasse dich mit deinem Kummer nicht allein.“

Präsenz heißt auch, ich helfe dabei, alternative Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen und für das Kind mal die andere Perspektive zu übernehmen. Das heißt, um dem Kind zu zeigen, dass es nicht in Ordnung ist, andere Kinder zu hauen oder mit Sand zu bewerfen, zeige ich ihm, dass das andere Kind darüber traurig ist oder auch wütend wird. Ich kann es fragen, wie es ihm geht, wenn es von anderen gehauen oder mit Sand beworfen wird. Das können sie oft sehr gut nachvollziehen. Dazu brauche ich aber nicht sofort die Bestätigung, dass sie alles einsehen und sich entschuldigen. Das kommt dann oft von ganz allein und zu dem Zeitpunkt, an dem das Kind soweit ist. Sie haben auch hier ihr eigenes Tempo. Und wir Erwachsenen sollten viel mehr Geduld aufbringen.

Kind mit RobbeWenn ich nun immer wieder höre, wie okay meine Kolleg*innen, befreundete Eltern oder Erzieher*innen es finden, dem Kind mal eine Auszeit zu geben, macht mich das traurig. Denn zumindest Erzieher*innen und anderes ausgebildetes pädagogisches Personal sollte wissen, dass es vom Entwicklungsstand der Kinder überhaupt keinen Sinn macht. Es ist immer noch eher die Hilflosigkeit, wie sie dem Fehlverhalten ohne Strafe begegnen sollen. Wir wissen, dass physische und psychische Gewalt (= Strafe) verboten ist und suchen nach harmlosen Konsequenzen.

Aber eine Auszeit ist nicht harmlos, auch wenn sie erst mal so aussehen mag. Es ist vielleicht weniger demütigend als in der Ecke zu stehen, wie es noch vor 30 Jahren der Fall war, aber auch nicht unbedingt. Auch ein bestimmter Stuhl oder eine Bank können zum Pranger werden. Gern wird dann auch von einer freiwilligen Auszeit gesprochen. Wir gehen davon aus, dass das Kind jetzt mal etwas Ruhe und Abstand braucht, ohne es zu fragen, ob es wirklich das ist, was es braucht. Wenn das Kind Ruhe braucht, nimmt es sich die auch, wenn die Umgebung dafür geschaffen ist. Oder ich helfe ihm dabei herauszufinden, was es braucht. Und finde ich dann heraus, dass es wirklich gerade eine Ruhepause braucht, dann möchte es diese selten völlig allein verbringen. Es möchte zum Beispiel gern ein Buch vorgelesen bekommen. Da das nicht immer möglich ist bei wenigen Erzieher*innen mit vielen Kindern, hilft es trotzdem sehr viel mehr, dem Kind zu sagen: „Ich verstehe dich. Du brauchst jetzt ein wenig Ruhe und möchtest dich am liebsten mit mir zusammenkuscheln und ein Buch lesen. Das geht leider nicht, weil ich gerade mit den anderen Kindern draußen auf dem Spielplatz bin. Wie kannst du es dir selbst gemütlich machen? Möchtest du dir das Buch einfach anschauen? Möchtest du ein Hörbuch hören? Möchtest du malen?“

Übergehe ich die Bedürfnisse, die hinter dem unerwünschten Verhalten stehen völlig, fühlt sich das Kind unverstanden und ungerecht behandelt. Die Wut auf das andere Kind (oder die anderen Kinder) steigt und kann dazu führen, dass sie nur umso mehr an eben diesem Kind ausgelassen wird, wenn gerade niemand hinsieht. Es hat keine Handlungsalternative gelernt, sondern nur „Meine Eltern (oder Erzieher*innen) sind richtig gemein. Immer werde ich ungerecht behandelt.“

Auszeiten sind per se Liebesentzug. Sie zeigen dem Kind, dass wir uns nicht mit ihm auseinandersetzen wollen, solange es nicht so ist, wie wir es haben wollen. Sie suggerieren dem Kind: „So wie du jetzt bist, will ich dich nicht mehr sehen. So kann ich dich nicht lieben. Funktioniere erst wieder so wie ich dich haben will, dann bekommst du meine Liebe wieder.“

Wenn diese Strafe doch so harmlos ist, wie kommt es dann, dass die Kinder so sehr darunter leiden? Es ist doch zu ihrem Besten! Sie brauchen ja eine Auszeit! Oder? Zumindest, wenn sie die Auszeit das erste, zweite und dritte Mal verhängt bekommen, sträuben sie sich dagegen. Sie rufen oder kommen immer wieder angelaufen. Sie weinen, wollen auf den Arm oder den Schoß genommen werden. Sie zeigen eindeutig, wie sehr sie unter der Trennung leiden. Sie wollen sich der Liebe und Zuneigung versichern, die sie gerade dringend brauchen. Von Präsenz der Eltern oder auch anderen Bezugspersonen fehlt in diesem Moment jede Spur. Noch gruseliger wird es, wenn darauf statt mit Empathie, mit noch mehr Wut seitens der Erwachsenen reagiert wird und die Auszeit dann entsprechend verlängert wird: „Jedes Mal wenn du wieder rauskommst, aufstehst oder was auch immer, fängt die Auszeit von vorne an.“ Was ist das anderes als psychische Gewalt? Es ist absoluter Machtmissbrauch und hat mit Empathie und bedingungsloser Liebe oder bedingungsloser Wertschätzung absolut nichts zu tun. Damit fällt es eindeutig in die Kategorie Strafe und wir sollten aufhören, unsere Gewalt immer mit dem Begriff „Konsequenz“ zu verharmlosen: „Es muss doch Konsequenzen geben“ tönt es von allen Seiten. Die gibt es ja auch. Ganz natürliche. Auf jede Aktion folgt eine Reaktion. Das ist die Konsequenz. Uns Dinge auszudenken, mit denen wir Kinder bestrafen, ist keine Konsequenz, sondern einfach nur herzlos.

Wir sollten uns wirklich bewusst machen, was das Kind wirklich dabei lernt. Rein vom Reifegrad können wir sicher sein, dass es nicht über seinen Fehler nachdenkt und daraus eine Lehre zieht. Es lernt nur, die anderen sind gemein zu mir, was ich will zählt nicht, ich bin nicht okay und das andere Kind, das ich gerade geärgert habe, wird viel mehr geliebt. Ich werde nicht geliebt. Liebe und die Annahme einer Person an Bedingungen zu knüpfen, führt zu Menschen, die kein gutes Selbstwertgefühl haben und zusehen wie sie sich einen Vorteil verschaffen können, indem sie andere Menschen klein halten. Nur durch Begegnung mit Empathie, werden sie auch selbst zu mitfühlenden Menschen.

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Tipps zum Weiterlesen:

  • Alfie Kohn: Liebe und Eigenständigkeit. Die Kunst bedingungsloser Elternschaft, jenseits von Belohnung und Bestrafung
  • Herbert Renz-Polster: Menschenkinder. Artgerechte Erziehung – was unser Nachwuchs wirklich braucht
  • Jesper Juul: Dein kompetentes Kind. Auf dem Weg zu einer neuen Wertgrundlage für die ganze Familie
  • Jesper Juul: Die kompetente Familie. Neue Wege in der Erziehung

 

Unser Kind ist doch nicht von schlechten Eltern?!

Zum Ende der letzten Woche gab es in der Kita gleich zwei Situationen, die uns als Eltern ein richtig schlechtes Gefühl gaben und ich weiß nicht, ob es so gemeint war. Aber mich hatte das sehr verletzt.
Das Lieblingskind war zum Ende der Woche ziemlich mies drauf. Es stänkerte wo es nur konnte und war für seine Umgebung echt anstrengend. Ich möchte es nicht entschuldigen, wenn es so aussieht als ob es sinnlos andere Kinder ärgert, schubst oder mit Sand bewirft. Aber es tut dies ja eben nicht grundlos. Wenn es in der Kita den ganzen Tag kooperiert, eine Regel nach der anderen befolgen muss und von anderen Kindern auch geärgert wird, stößt es irgendwann an seine Grenzen. Wie es bei jedem Kind (jedem Menschen) der Fall ist. Der Kita-Alltag ist durchaus anstrengend für die Kleinen. Warum wird hier nicht gesehen, wie sehr die Kinder den ganzen Tag kooperieren – wie sie stundenlang ihren eigenen Willen, dem Willen der Erzieherinnen oder dem Wohl der Gruppe unterordnen? Manche Kinder zeigen dann, wenn es ihnen zu viel geworden ist, ihren Ärger ganz offensiv und lassen ihn an anderen aus und andere Kinder schlucken Ärger herunter und werden eher depressiv.
Das Lieblingskind gehört zur ersten Sorte und ich bin froh darüber. Er ist nicht das bravste Kind und bringt uns damit häufig an unsere Grenzen, aber es ist ehrlich und direkt und wir können damit umgehen und ihm Alternativen beibringen.

Doppelpirat

Krass war jedoch das Gespräch, das der Lieblingsmann am Donnerstag mit einer Erzieherin führen musste, die leider selbst so gar nicht zuhören und ausreden lassen kann, nicht einmal nach wiederholter Bitte, ausreden zu dürfen. Ebenjene Erzieherin erklärte meinem Mann, dass unser Kind unsozial und egozentrisch sei und dass es andere Kinder massakriere. Das war ihre tatsächliche Wortwahl. Überdies ging sie davon aus, dass wir ihm nicht sagen, dass es nicht in Ordnung sei zu hauen oder mit Sand zu werfen. Sie war tatsächlich überrascht, als mein Mann ihr sagte, dass wir ihm auch nicht erlauben, andere mit Sand zu bewerfen. Das alles zusammengenommen ist so unprofessionell, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Zum einen, was denkt sie von uns? Dass es uns egal ist, ob andere Kinder unter ihm leiden? Sie sollte uns doch ein wenig kennen. Zum anderen, was ist das für eine Wortwahl? Egozentrisch? Kinder sind noch nicht egozentrisch. Kinder kooperieren immer und werden laut Jesper Juul zu egozentrischen Erwachsenen, wenn sie zu viel kooperiert haben. Unsozial? Mein Kind kann vielleicht hin und wieder ein Stinkstiefel sein, aber unsozial ist es ganz bestimmt nicht. Es kann teilen, es macht seinen Freunden gern Geschenke, es kann mitfühlen und sich entschuldigen, wenn es ihm wirklich Leid tut. Und wie um zu beweisen wie sozial und empathisch es ist, überließ es am Wochenende sogar einem fremden Kind die Schaukel, nachdem es selbst lange auf die Schaukel gewartet hatte und sich zuvor schon über einen Vordrängler geärgert hatte, weil das andere Kind weinte. Es gab viele weitere dieser schönen Beispiele am Wochenende, als es endlich entspannen und sich freier bewegen konnte.

In der Regel geben viele Erwachsene Kindern gar nicht erst die Chance und die Zeit, sich von allein zu entschuldigen, zu bedanken oder was ihnen sonst noch so wichtig ist. Nein, es wird sofort verlangt, „Entschuldige dich!“ Und dabei ist es ihnen offenbar ganz egal, ob die Entschuldigung ernst gemeint ist oder nicht. Sie verlangen regelrecht, dass das Kind lügt und übersehen auch, wie sich das andere Kind dabei fühlt, wenn es eine halbherzige oder schlechte Entschuldigung annehmen muss. Aber über das Entschuldigen wurde an dieser Stelle schon ein sehr schöner Beitrag geschrieben, weshalb ich das hier nicht weiter ausführen möchte. Ich glaube eher manchmal, dass Erwachsene oder Eltern nicht wissen, wie sie sonst damit umgehen sollen und glauben, dass es von den anderen Eltern und Erwachsenen erwartet wird. Sie wollen den anderen Erwachsenen damit zeigen, dass sie wissen was sich gehört und übersehen dabei, wie unempathisch sie sogar beiden Kindern (dem aggressiven und dem betroffenen) gegenüber sind.

Das bringt mich zur zweiten Situation. Das Lieblingskind hatte am Freitag ein kleineres Kind aus der Kita aus vollem Überschwang heraus und mit voller Absicht geschubst. Es kann das Kind nicht leiden, was ihm natürlich nicht das Recht gibt, dies zu tun. Der Papa des Kleinen war geschockt und fragte auch gleich, warum er das denn gemacht habe, was das soll und ob er nicht weiß, dass man sich da entschuldigt oder ob er so etwas nicht lerne.
Und ich dachte nur: Danke, der letzte Kommentar ging ja dann wohl an meine Adresse. Ob er so etwas nicht lerne? Warum denken denn plötzlich alle, dass wir unserem Kind nicht erklären, was richtig und falsch, was gut und angebracht ist und was total daneben ist? Natürlich lasse ich eine solche Situation nicht im Raum stehen und rede mit ihm darüber. Zunächst einmal wollte ich auch wissen, warum es das überhaupt getan hatte. Die simple Antwort in diesem Moment war, dass er das Kind nicht leiden könne. Ich sagte ihm natürlich, dass es ihm nicht das Recht gibt, seinen Ärger an ihm auszulassen und ihn zu schubsen. Ich mache ihm auch immer deutlich, wie es dem anderen Kind damit geht. Und ich zeige ihm die Perspektive auf, wie es ihm gehen würde, wenn andere so etwas mit ihm machen. Wobei das oft genug der Fall war, weshalb es sich gut reinversetzen kann, wie es ihm damit ginge. Vor allem ist es aber wichtig, auch hier Empathie zu zeigen, versuchen zu verstehen, wie es dazu kommen konnte. Was hatte es für einen Tag? Ist es wütend, frustriert, traurig? Was braucht es eigentlich? Welches Bedürfnis wurde hier eigentlich nicht erfüllt? Wenn ihm keine Empathie entgegen gebracht wird, kann ich auch nicht verlangen, dass es Empathie für andere aufbringt.
Dennoch ist klar, dass das Lieblingskind sich dann, wenn es ihm (daraufhin) wirklich Leid tut, von allein darauf kommt, dass es sich entschuldigen oder sogar wiedergutmachen kann, je nachdem was passiert war. Dann ist es echt, kommt von Herzen und das andere Kind fühlt sich wirklich wieder besser.
Vielleicht hat der Papa des kleinen Jungen die Bemerkung gar nicht wirklich an meine Adresse gerichtet, denn er kennt mich oder uns ja gar nicht. Es war nur ziemlich blöd ausgedrückt und hat mich nach dem Kommentar der Erzieherin ziemlich verletzt.

Zurück zur Erzieherin: Wenn sie sich (im selben Gespräch) beschwert, dass unser Kind an dem Tag schon 35 Mal mit Sand geworfen habe, dann frage ich mich eher, wieso sie so etwas zulassen? Erstens machte sie hier vermutlich wieder mit Übertreibung anschaulich und zweitens ist es genauso wenig in Ordnung, ihn so lange mit Sand werfen zu lassen. Natürlich müssen dann auch die anderen Kinder geschützt werden. Und das geht nur mit Präsenz. Da hilft es natürlich nicht, immer von weitem etwas zuzurufen oder rumzudiskutieren. Ich muss dann zu dem Kind hingehen und klar sagen, dass das nicht geht. Dass ich nicht länger zulassen kann, dass die anderen Kinder weiter geärgert werden. Ich kann fragen, was eigentlich los ist? Ob es wütend ist und warum? Und dann kann ich ein Angebot machen, um zu zeigen, dass ich sehe, dass es ihm gerade nicht so gut geht und es vermutlich gerade keine Lust darauf hat, mit den anderen zu spielen und fragen, ob es lieber am Tisch etwas malen will. Es wäre einfach hilfreich sein Bedürfnis, das dahinter steckt herauszufinden und darauf einzugehen. Damit ist allen geholfen. Das Kind wird ernst genommen und fühlt sich endlich verstanden und gesehen, statt permanent verurteilt. Denn eins ist doch wohl klar: Das Bedürfnis ist nicht, andere mit Sand zu bewerfen. Das ist lediglich ein Ausdruck dafür, dass es sich gerade nicht anders zu helfen weiß.

Und Gott sei Dank, ist nicht jeder Tag so und haben nicht alle Erzieherinnen  so eine schräges Menschenbild bzw. eine solche Sicht auf Kinder. Wenn ich mich dafür interessiere, was das Kind gerade hat, warum es ihm vielleicht nicht gut geht (denn genau das zeigt es doch mit seinem Verhalten klar und deutlich), kann ich mich ihm doch zuwenden und Hilfe anbieten. Ich kann vor allem Alternativen aufzeigen, wie es das nächste Mal besser ausdrücken kann, dass es etwas anderes braucht, ohne andere dabei zu verärgern oder zu verletzen. Es sind immerhin Kleinkinder, die das gerade erst lernen. Um es lernen zu können, brauchen sie gute Vorbilder, die ihnen Ehrlichkeit, Höflichkeit und einen guten Umgang mit Gefühlen vorleben und die sie ernst nehmen und mit Respekt behandeln.
Das Kinderbild, das hinter „egozentrisch“ „unsozial“ und „massakrieren“ steckt, ist dabei nicht gerade hilfreich, sondern viel mehr hinderlich.

Und jetzt werfe der- oder diejenige, dessen Kind noch nie gehauen oder mit Sand geworfen hat, bitte den ersten Stein. 😉

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Schatzsammler – oder „Das Glück ist in einem einfachen Sandkorn zu finden!“

Kleinkinder sind richtige Schatzsammler. Erstaunlich ist dabei was sie alles als Schätze ansehen. Das kann durchaus richtiger Müll sein, den ihre Phantasie jedoch in etwas ganz Zauberhaftes verwandelt.

Das Lieblingskind sammelSteinsammlungt zum Beispiel am liebsten Steine und Stöcker, was sie wohl fast alle gemeinsam haben. Denn auch seine Kitafreunde sammeln gern Stöcker und ab und zu denken sie sogar daran, einen Stock als Gastgeschenk mitzunehmen, wenn sie einen Freund besuchen. Wenn dann etwas mit einem von „Millionen“ von Stöcken passiert, ist das ein Drama. Zu schlimm ist es, wenn er zerbricht oder auch nur ein kleiner Zweig abbricht.

Genauso ist es mit den Steinen. Ich könnte es besser nachvollziehen, wenn er sich besonders schöne Steine am Strand aussuchen würde, aber Bauschutt …?!

Erst gestern stopfte sich das Lieblingskind ungefähr 10 Steine in jede Hosentasche. Das machte mich langsam kribbelig, da wir verabredet waren und ich nicht zu sp4 Steineät kommen wollte. Außerdem ist der Dreck in den Hosentaschen auch nicht gerade ein Traum. Als dann aber während der Fahrt mit dem Fahrrad ein Stein aus der Hosentasche fiel, was durch die randvollen Taschen unvermeidlich war, drängte ich darauf weiterzugehen. Das Lieblingskind war untröstlich. Es weinte und weinte den ganzen Weg bis zu unserer Verabredung. „Mein Stein…, mein schöner Stein…, ich will meinen Stein wiederhaben. Den finde ich nie wieder!“

Das tat mir dann in der Seele weh, ihn so darunter leiden zu sehen. Zuerst wunderte ich mich und dachte, es ist doch nur irgendein blöder, noch dazu hässlicher, Bauschuttstein. Doch dann, nachdem ich sah, wie ehrlich er darunter litt, versuchte ich es durch seine Augen zu sehen. Er hatte sich den Stein ausgesucht und er war eben anders als die anderen 19 Steine. Plötzlich musste ich an Paulo Coelho denken, wie er in „Der Alchemist“ schrieb:

… Und dass das Glück in einem einfachen Sandkorn der Wüste zu finden sei, … Denn ein Sandkorn ist ein Augenblick der Schöpfung, und das Universum hat Millionen von Jahren dazu benötigt, es hervorzubringen.“

Ich glaube Kinder können einfach noch genau das spüren, und die Einzigartigkeit jedes einzelnen Steins, jedes einzelnen Stocks, jeder Zelle, die die Natur geschaffen hat, wertschätzen. Was wertvoll ist (durch Seltenheitswert) lernen sie erst durch uns. Und irgendwie ist das auch schade.

Darum hockte ich mich, als wir angekommen waren, vor das Lieblingskind, nahm es fest in den Arm und entschuldigte mich aus ganzem Herzen dafür, dass ich nicht für seinen Stein angehalten habe. Ich sagte ihm, dass ich nicht wusste, wie viel er ihm bedeute und dass es mir jetzt Leid tut. Ich fragte, ob ich es wieder gut machen könne, wenn ich ihm einen anderen schönen Stein aussuche. Und er nickte und war besänftigt. Es tat ihm sichtlich gut, dass ich das nicht runtergespielt hatte („Ist doch nur ein blöder Stein. Du hast doch noch so viele andere.“), sondern dass ich seine Trauer über den Verlust ernst genommen hatte. Ich fand dann einen schönen Gipsstein, mit dem man sogar auf den Boden malen konnte, denn wir standen mal wieder genau neben einer Baustelle. Und beim nächsten Mal werde ich ganz sicher die fünf Sekunden übrig haben, die es braucht, einen Stein wieder aufzusammeln. Das ist fest versprochen!

Habt ihr auch hübsche Stein- oder Stöckersammlungen zu Hause? Oder was sammeln eure Kinder am Liebsten?

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Der Morgen, an dem ich eine Hose verhaute!?

Die Wut eines Viereinhalbjährigen kann ganz schön nervenaufreibend sein. Sie ist oft so unvorhergesehen, irrational und unverständlich. Wie soll man also auf so etwas reagieren? Vielleicht einfach mal ganz anders als sonst. So kam es, dass ich heute morgen eine Schlafanzughose für das Lieblingskind verprügelte, damit sie ihn nicht mehr ärgert.

Kleiner Frechdachs

Aber ich beginne besser am Anfang. Seit einiger Zeit, meckert das Lieblingskind ständig über irgendetwas und kann von einem Moment auf den nächsten ganz schlechte Laune haben. Wenn es sich dann noch stößt und wütend auf den Tisch einhaut, der ihm wehgetan hat, fand ich es schon immer schwierig, wenn der Lieblingsmann dann auch noch sagte: „Da kann der Tisch doch jetzt nichts dafür“. Natürlich hat der Tisch nicht plötzlich einen Satz nach vorn gemacht, damit das Lieblingskind sich daran stößt. Natürlich war es seine eigene Unaufmerksamkeit. Und trotzdem, wieso ergreift er Partei für diesen toten Gegenstand? Denn so muss es dem Lieblingskind vorkommen: „Statt mich zu trösten und meine Wut auf den blöden Tisch zu verstehen, verteidigt er den auch noch.“ Hier sollten wir uns wirklich eher fragen, wer oder was wichtiger ist. Der leblose Gegenstand oder das lebendige Kind mit Gefühlen.

Daher widerstand ich heute früh dem Impuls, mal wieder rational an die Sache ranzugehen und für mein Verständnis zu fragen: „Was ist denn mit der Hose? Rutscht sie? Kneift sie?“ bla bla bla. Fragen, auf die ich nie eine vernünftige Antwort kriege, denn offenbar geht es in den meisten Fällen gar nicht um solche simplen Auslöser. Er schleuderte die Hose mit dem Fuß wütend in meine Richtung und stand ganz verloren im Türrahmen. Also fragte ich ihn: „Soll ich die Schlafanzughose für dich verprügeln?“ Er fragte: „Was?“ Denn er war offensichtlich verwirrt. Also wiederholte ich die Frage und er nickte und sah mich neugierig an.
Ich haute also dreimal kräftig auf die Hose ein und sagte etwas wie: „Böse Hose. Hör auf mein Lieblingskind zu ärgern.“ Das Lieblingskind grinste und rannte in meine Arme. So konnte es sich auch wieder trösten lassen und die gute Laune kam zurück.

In einer Phase wie dieser, kann die Laune allerdings auch schnell wieder kippen. Darum heißt es für mich offen bleiben. Das Kind und sein Selbstwertgefühl sind mir wichtiger als irgendwelche Regeln und Gegenstände. Deshalb war es heute morgen auch weiterhin notwendig viele Kompromisse zu machen und zwischendurch ein paar ausgelassene Momente einzubauen, in denen wir alle drei zusammen Quatsch machten.

Wenn ich zum Beispiel darauf bestehe, dass das Lieblingskind sich vor dem Frühstück die Windel auszieht (ja, nachts geht es leider noch immer nicht ohne) und sich etwas anzieht, kann es insofern mitbestimmen, dass es festlegt wo es sich umzieht, oder dass es auch mal alles bis auf die Hose anzieht. Manchmal kommt man nicht umhin, etwas vom Kind zu verlangen, das es eigentlich nicht tun will und dann kann man dem Kind wenigstens die Möglichkeit geben, über das WIE zu entscheiden.

Am Ende haben wir es oftmals in der Hand, eine Situation total eskalieren zu lassen, indem wir unbedingt unseren Willen durchsetzen und die Macht behalten wollen oder ob wir auch an schlechten Tagen einige Lichtmomente schaffen.

Welche Erfahrungen habt ihr mit euren selbstständiger werdenden Kindern? Gibt es lustige oder absurde Begebenheiten? Könnt ihr gemeinsame Lösungen mit euren Kindern finden, die sich gerade aufführen wie kleine Derwische? Oder bringen sie euch an eher an den Rand der Verzweiflung, an dem ich mich durchaus auch öfter mal bewege?

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Über das Einschlafen – Abendrituale und Entspannung

Es gab bei uns viele verschiedene Phasen, was das Einschlafen des Lieblingskindes anging. Und gerade wenn man zum ersten Mal Eltern wird, weiß man quasi nichts über kindlichen Schlaf und wie es sich erst alles entwickeln muss. Man weiß vor allem auch nicht, dass es bei jedem anders ist. Gleichzeitig hört man aber so viele verschiedene Tipps, liest nach, versucht auf den Bauch zu hören, vergleicht und fragt sich, warum das eigentlich so kompliziert sein muss.

Kompliziert macht es die Situation jedoch nur, wenn man von falschen Erwartungen ausgeht, sich von den verschiedenen Tipps verrückt machen lässt und am besten noch versucht alles gleichzeitig umzusetzen.

Das Lieblingskind brauchte immer sehr lange zum Einschlafen und es gab Zeiten da sang ich das gleiche Einschlaflied eine dreiviertel Stunde rauf und runter, weil ich Angst davor hatte, dass es sich ansonsten gleich wieder hinstellt und putzmunter ist. Danach blieb ich noch eine Viertelstunde neben ihm sitzen. Sobald ich mich nämlich wegbewegte, wachte es auf und war sofort wieder hellwach. Dann konnte ich mit dem Einlullen von vorn anfangen. So dauerte das Ganze dann oft anderthalb Stunden. Ich habe diese Zeit verflucht, weil ich ein Mensch mit Hummeln im A**** bin. Ich hatte oft noch etwas zu tun oder wollte auch schon wieder im Wohnzimmer sitzen wie der Lieblingsmann und mit ihm noch etwas essen, fernsehen oder mit Besuch quatschen.

Ich kam damals nicht auf die Idee, dass es genau meine innere Unruhe war, die vielleicht auch mein Kind nicht zur Ruhe kommen ließ. Oder ich kam schon drauf und konnte aber nichts daran ändern, weil ich mich innerlich schon so reingesteigert hatte.

Es dauerte viele Monate, bis ich darauf kam, dass nicht alles punktgenau ablaufen muss, dass Kinder unterschiedliche Einschlafzeiten haben und selbst ein und dasselbe Kind an einem Tag früher oder später müde ist als an einem Anderen. Außerdem merkte ich, dass ich es auch für mich bequemer gestalten kann, statt mich am Gitterbettchen zu verrenken, um ihn in den Schlaf zu streicheln. Manchmal frage ich mich, wieso diese Erkenntnis nur so lange auf sich warten ließ. Ich beneidete eine Freundin, deren Tochter schon um 18 Uhr abends schlief und am nächsten Morgen sogar erst um 7 Uhr wieder aufwachte, und zwar nachdem sie nur eine Geschichte vorlesen und ein Lied singen musste, um dann den Raum verlassen zu können. Ihre Tochter schlief dann alleine ein. Im Nachhinein war das mit dem alleine einschlafen wohl auch nur eine Phase, aber die 13 Stunden blieben ihr lange erhalten.

Das Lieblingskind schlief oft erst um 20 Uhr oder später ein und wachte spätestens um 5 Uhr wieder auf. Diese Zeit ist glücklicherweise vorbei. Wir stehen meist alle um 6 Uhr auf. Er schafft es an Wochenenden oder im Urlaub sogar manchmal schon bis 7 oder 8 Uhr zu schlafen. 8 Uhr ist zwar eher eine Seltenheit, aber in Ordnung.

Am Ende kam es doch wieder darauf an, eben nichts zu vergleichen, auch nicht die tollen Tipps der anderen, wenn sie ja doch nicht auf mein eigenes Kind und seinen Rhythmus (oder unseren Rhythmus als Familie) passen. Es ging darum die Situation so wie sie war anzunehmen. Das ging sehr viel leichter, indem ich endlich meine eigenen Bedürfnisse auf die gleiche Stufe mit den kindlichen Bedürfnissen stellte. Das hieß:

  • Ich legte mich auf keinen Fall mehr hungrig zum Lieblingskind.
  • Ich ging auf die Toilette, wenn ich musste oder ging einen Schluck Wasser trinken, auch wenn es hieß, dass ich vielleicht noch mal von vorn anfangen musste, weil das Lieblingskind aufstand, um mitzukommen.
  • Ich legte mich vor allem gemütlich mit hin, entweder in unser großes Bett, oder neben seins auf einer kuscheligen Decke (statt mich durch das Gitterbettchen zu verrenken).
  • Ich setzte mir ein Limit, wie lange ich selbst lesen oder singen wollte. Denn es ging mir auf die Stimme, sobald ich weiterlas, obwohl ich es nicht wollte.
  • Wenn es noch sehr wach war, konnte es sich weitere Bilderbücher einfach anschauen und ich kuschelte mich nur daneben und ruhte mich selbst aus.

Ich denke das war der entscheidende Unterschied, der dafür sorgte, dass das Lieblingskind auf einmal nur noch halb so lange brauchte, einzuschlummern.

Unsere Abendroutine

Heute handhaben wir es wesentlich lockerer und das Lieblingskind kann auch mal auf der Couch neben uns schlafen, wenn wir noch etwas Dringendes zu erledigen haben oder ich alleine bin und es noch nicht geschafft hatte zu essen. Das Abendessen findet leider selten zu dritt statt, da entweder mein Mann oder ich abwechselnd lange arbeiten müssen.

Aber einer von uns beiden isst mit dem Lieblingskind zusammen Abendbrot. Dann wird es geduscht oder gebadet. Dann kommt das Zähneputzen dran, denn das muss vor dem Sandmännchen erledigt sein. Auch das Sandmännchen kann über die Mediathek mal ein paar Minuten später laufen, was ungeheuren Stress rausnimmt, wenn das Lieblingskind sich bettfertig machen soll. Dann gucken wir zusammen das Sandmännchen und danach lesen wir ein Buch oder eine Geschichte vor. Zum Schluss streichle ich das Lieblingskind meist in den Schlaf. Der Lieblingsmann macht das glaube ich nicht. Er liegt neben ihm oder das Lieblingskind kuschelt sich auf ihn drauf.

Mein Fazit aus unserer Erfahrungsgeschichte ist, dass es hier wie bei anderen Dingen auch wieder darum geht, das Kind kennen zu lernen, seine Eigenheiten zu beobachten und anzunehmen. Es geht letztlich wieder darum gemeinsam ein Stück als Familie zu wachsen.

Vor allem von Kolleginnen, die mit Babys arbeiten, habe ich immer wieder gehört, wenn die Mutter entspannt ist, ist es das Baby meist auch. Das glaubte ich ihnen sofort und konnte es auch bei entspannten Müttern beobachten. Nur half mir dieser Satz nicht bei der Umsetzung. Das musste wachsen. Dafür musste ich eine Situation erst einmal annehmen können wie sie war. Das Annehmen wurde eindeutig leichter, als ich endlich darauf schaute, was es mir denn leichter machen würde, diese Situation auch für mich angenehmer zu gestalten. Auf einmal konnte ich meine Bedürfnisse nicht nur als lästig und unerträglich ansehen, sondern als das was sie waren: Bedürfnisse, die ebenso erfüllt werden wollten wie die Bedürfnisse meines Kindes. Wenn ich mich jedoch permanent nach etwas ganz anderem sehne, etwas das jetzt gerade überhaupt nicht dran ist, weil ich ein Baby oder Kleinkind habe, dann wird es schwer. Mir muss einfach klar sein, dass es nicht machbar ist, jeden Abend in Ruhe zu einer bestimmten Zeit, mein gewohntes Abendprogramm durchzuziehen, das ich hatte, bevor ich Mutter wurde. Hier musste ich meine Erwartungen an die neue Situation anpassen und darauf achten, dass die wichtigsten Bedürfnisse erfüllt sind und ich ein neues Abendprogramm auch genießen kann. Alles andere wird sehr schnell wiederkommen, wenn die Kinder älter sind. Die kuschelige Zeit, in der die Kleinen uns so dringend brauchen ist nämlich, wenn man es mal aus einer größeren Perspektive heraus betrachtet, sehr kurz. Aus diesem Grund will ich sie genießen und alles an dieser neuen Situation auskosten, was mir später vielleicht fehlen wird.

5. Das kleine KaninchenVon meiner Mama habe ich vor kurzem den Tipp vom „Kaninchen, das so gerne einschlafen möchte“ bekommen. Dabei handelt es sich um eine Geschichte, die weniger Geschichte als viel mehr Entspannungsmethode ist. Das fand ich als Entspannungspädagogin natürlich total spannend und holte mir das Hörbuch. Es ist wirklich schön, denn es läuft ein wenig ab wie eine Phantasiereise für Kinder mit Schlüsselwörtern aus dem Autogenem Training, sodass man richtig zur Ruhe kommt. Ein Schlüsselwort, dass jedoch viel zu oft vorkommt und eher nervt ist das Wort ‚jetzt‘. Ich verstehe auch nicht, wieso ein so abstraktes Wort als Entspannungsreiz genutzt wird. Es nervt und führt eher dazu, dass man sich darüber lustig macht oder von der Entspannung abgelenkt wird. Vorgestern wollte das Lieblingskind die CD endlich mal wieder hören. Und wenn es sie hört, dann ist es auch innerhalb von 15-20 Minuten eingeschlafen. Ich glaube, er wird sie nie bis zum Ende hören. Man schläft einfach vorher ein.

Ich finde diese CD ganz schön und kann sie mir auch als Buch sehr schön vorstellen, wenn man sie dem Kind selbst vorliest. Doch so gut sie auch funktioniert, was nicht funktioniert ist, dass das Kind sie jeden Abend hören will. Denn es ist eben keine spannende Geschichte. Ich würde ihm die Geschichte nie aufzwingen oder versuchen, es dahin zu manipulieren, dass es diese CD hören will. Und wenn ein Kind ins Bett muss, ist es doch meist noch so wach, dass es eine interessante Geschichte hören will. Zu nervenaufreibend sollten die Geschichten generell nicht sein. Aber eine Geschichte, in der fast nichts passiert, ist eben nicht immer die erste Wahl. Ich denke sie richtet sich vor allem an Kinder (frühestens ab 4 Jahren), die nur schwer zur Ruhe kommen. Und auch dann sollte sie ehrlicherweise als Entspannungsmethode eingesetzt werden, die man irgendwann nicht mehr braucht, anstatt als Gute-Nacht-Geschichte.

Ich denke auch hier bleibt es das Wichtigste, dass wir selbst als Eltern erst mal entspannen (lernen) und ruhig an die Sache rangehen. Denn nur dann können wir auch unserem Kind helfen, zu entspannen.

Wie sind eure Erfahrungen? Habt ihr eine gut funktionierende Abendroutine entwickelt?

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